Richtig angepackt
Herr Becker, Haniel hat bisher keine Erfahrung im Maschinenbau. Warum haben Sie als Miteigentümer sich trotzdem für die Duisburger Holding als Käufer entschieden?
[THOMAS BECKER]: In der finalen Auswahlrunde war Haniel das einzige deutsche Unternehmen. Die anderen Interessenten waren internationale Strategen aus dem Maschinenbau. Für uns war jedoch klar: Die Identität von Rovema muss erhalten bleiben, wir wollten nicht komplett in einen Konzern integriert werden. Langfristigkeit und Stabilität waren ebenfalls wichtige Kriterien, und dafür steht Haniel als Familienunternehmen. In der Branche war die Entscheidung eine große Überraschung. Die Mitarbeiter haben sehr positiv reagiert.
Herr Reuter, wie wird Rovema in die Prozesse von Haniel eingebunden?
[DR. MICHAEL REUTER]: Nicht im Sinne einer klassischen Integration, denn das würde heißen, aus zwei Unternehmen eines zu machen, mit synchronen Prozessen. Bei Rovema wollen wir das bewusst nicht. Bestimmte rechtliche und kaufmännische Themen müssen angebunden werden, aber nur da, wo es sinnvoll ist. Wir wollen Rovema besser, stärker und größer machen, jedoch nicht das Geschäftsmodell ändern. Rovema war in den letzten Jahren sehr erfolgreich, ist aber im Vergleich zu unseren anderen Beteiligungen eher klein. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir die Organisation mit unseren Anforderungen nicht überfordern. Diese Anforderungen zu priorisieren und zu kanalisieren, ist meine Aufgabe als Liaison Officer.
KLUG EINGEPACKT
Haniel steuert seine Geschäftsbereiche mit einem flexiblen Ansatz. Strategische Leitplanken werden gemeinsam vereinbart, aber das operative Geschäft liegt in der Hand der Geschäftsführung vor Ort. Kurzum: Haniel betreibt ein flexibles Portfoliomanagement
Was genau ist Ihre Rolle?
[REUTER]: Ich habe in beide Richtungen eine Brückenfunktion und bringe die Interessen verschiedener Kollegen aus der Haniel-Holding bei Rovema zur Geltung: zum Beispiel von den Controllern und Bilanzierern, bei rechtlichen Anforderungen und Fragen oder bei Themen wie Corporate Responsibility und Kommunikation. Dabei entscheide ich nach Dringlichkeit: Was muss sofort gemacht werden, was kann noch warten?
Wie stellen Sie währenddessen sicher, dass das operative Geschäft von Rovema reibungslos weiterläuft?
[REUTER]: Bestimmte Anforderungen von uns müssen nicht zwingend auf Rovema-Ebene umgesetzt werden. Viele Dinge können Haniel-Mitarbeiter erledigen, die in dem Bereich schon Expertise haben. Beim Jahresabschluss beispielsweise, in den wir Rovema bereits eingebunden haben, leisteten wir mit Wirtschaftsprüfern und Gutachtern Unterstützung.

„Wir wollen Rovema besser, stärker und größer machen, jedoch nicht das Geschäftsmodell ändern“
Haniel verfolgt bei der Steuerung der Geschäftsbereiche ein Modell der flexiblen Führung: Jedes Unternehmen bekommt die Maßnahmen, die es braucht, um zu wachsen. Welche sind das bei Rovema?
[BECKER]: Zum Beispiel werden die Seminarangebote der Haniel Akademie zur Weiterbildung unserer Mitarbeiter genutzt. Außerdem war einer meiner Management-Kollegen mit einer Gruppe aus allen Geschäftsbereichen bei der Digitalkonferenz SXSW. Das sind Themen, die Rovema aufgrund seiner vergleichsweise geringen Größe bisher nicht verfolgen konnte.
[REUTER]: Perspektivisch soll Rovema organisch und auch durch Akquisitionen wachsen. Dabei kann es auf die Kapazitäten und das Wissen der M&A-Abteilung von Haniel zurückgreifen.
[BECKER]: Dabei geht es auch darum, Unternehmen zu finden, die unser Geschäftsmodell optimal ergänzen. Die müssen aber erst mal zum Verkauf stehen. Da ist es gut, einen starken Investor im Hintergrund zu haben.
[REUTER]: Das Thema Finanzierung ist ebenfalls wichtig: Indem wir Rovema aktuell über Haniel finanzieren, sparen sich die Kollegen viele Termine und Verhandlungen mit verschiedenen Banken. Auch für Finanzierungspartner im Ausland können wir Empfehlungen aussprechen.
[BECKER]: Hier haben wir schon gute Erfahrungen gemacht. Eine wichtige Rolle im Bereich Finanzierung spielen bei uns Avale, also Bürgschaften, die wir benötigen, um uns abzusichern, wenn wir Maschinen für Kunden produzieren. Über Haniel wurde dies schnell und kompakt umgesetzt.

„Es ist gut, einen starken Investor im Hintergrund zu haben“
Die Digitalisierung ist auch im Maschinenbau ein Zukunftsthema. Wo liegen die größten Chancen für Rovema?
[BECKER]: Es gibt viele Themen, die Potenzial haben: Wir haben zum Beispiel eigene Software-Entwickler im Haus, die spezifische Nutzeroberflächen für unsere Maschinen programmieren. Zudem haben wir ein Netzwerk mit Großkunden aufgebaut, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Themen wie Big Data, künstliche Intelligenz und 3D-Druck stehen auf unserer Agenda ganz oben. Augmented Reality wiederum ist im Bereich Schulung und Wartung interessant, dazu hatten wir auch bereits einen Termin mit der Haniel-Digitaleinheit Schacht One. Last, but not least beschäftigen wir uns kontinuierlich mit dem Thema Robotik, um die Nutzung unserer komplexen Maschinen so einfach und effizient wie möglich zu gestalten.
Video: Haniel als Wertentwickler
Wie geht es weiter?
[BECKER]: Wir haben einen Businessplan erarbeitet, der ein gedeihliches organisches Wachstum und eine gute Profitabilität für die nächsten Jahre vorsieht. Regionale Expansion ist mittelfristig ein Thema, um Rovemas Wert zu steigern. Schon jetzt machen wir 90 Prozent unseres Geschäfts im Ausland und sind weltweit bekannt.
[REUTER]: Wir haben viele gute Ideen, zum Beispiel im Hinblick auf die Optimierung in der Produktion, im Einkauf, in der Logistik, bezogen auf weitere Verbesserungen von Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Da müssen wir zeitnah ran, damit Rovema seine Kapazitäten effizienter nutzen kann, aus Kundensicht zusätzlichen Mehrwert bietet und dadurch weiter wachsen kann. Zusätzliche Expertise holen wir dabei über einen „Active Chairman“, das ist ein besonderer Aufsichtsratsvorsitzender, der Rovema bei der Umsetzung strategischer Initiativen zur Seite steht. Auch das ist ein neues Instrument und Teil unseres flexiblen Portfoliomanagements.
GUT VERPACKT
Rovema stellt hochwertige Verpackungsmaschinen her, der Firmensitz befindet sich in Fernwald in Hessen. Die Anlagen übernehmen die Dosierung, Füllung, Versieglung, Kartonage und Endverpackung von Produkten vor allem aus dem Lebensmittelbereich, zum Beispiel Kindernahrung, Süßwaren oder Snacks. Zum internationalen Kundenkreis zählen nahezu alle führenden Markenartikelhersteller. Seit dem 30. November 2017 ist das Unternehmen Teil des Haniel-Portfolios. Rovema ist in über 50 Ländern weltweit aktiv und hat rund 650 Mitarbeiter. Eine eigene Software-Entwicklung sorgt dafür, dass die automatisierten Verpackungsmaschinen und -systeme für die Anforderungen von „Industrie 4.0“ fit gemacht werden. Im firmeneigenen Technikum erprobt und optimiert Rovema auf 1000 Quadratmetern neue, effiziente Anwendungen: Durch den Einsatz modernster Antriebs- und Steuerungstechnik ist es zum Beispiel möglich, bis zu 25 Prozent Energie einzusparen.
Thomas Becker (53) ist seit 2011 CEO von Rovema und am Unternehmen beteiligt. Gemeinsam mit zwei Kollegen übernahm er Rovema nach einer Insolvenz und führte das Unternehmen wieder zum Erfolg. Vor seiner Tätigkeit bei Rovema war er Managing Director bei Bonfiglioli in Neuss und bei der Heidolph Elektro GmbH & Co. KG in Kelheim.
Dr. Michael Reuter (40) ist Leiter Konzernbilanzierung und IFRS-Grundsatzfragen und arbeitet seit 2008 bei Haniel. Seit der Akquisition von Rovema sorgt er als sogenannter Liaison Officer für die Anbindung an Haniel.